Stephan Porombka
Tipp zum Abschied leise "QUIT".Die Internationale Stadt Berlin gibt den Geist auf.Wenn eine Stadt dem Raffzahn eines Kohlebaggers zum Opfer fällt oder einem Stausee weichen muß, dann ketten sich die Menschen gerne an ihr Gartentor. Oder sie marschieren protestierend vor die Häuser der Regierenden. Nichts davon wird passieren, wenn zum März dieses Jahres die Internationale Stadt Berlin verschwindet. Aber wie auch? Regierende hat es in dieser virtuellen Stadt nicht gegeben. Und an eine Homepage im World Wide Web kann man sich nicht ketten. Wenn die Internationale Stadt untergeht, dann nur als Internet-Projekt, das sich vor vier Jahren mit großen Hoffnungen etabliert hat und das für Berlin und weit über Berlin hinaus einen Vorschein vom besseren Leben in den Netzen geben wollte. 1994 lobte die ZEIT die I.S. als "erstes Modell eines elektronischen Bürgerinformationssystems dieser Art in Deutschland". Und die Berliner BZ forderte per Schlagzeile: "Werden Sie Einwohner der Internationalen Stadt". Die Einwohner werden jetzt wieder das Weite suchen müssen. Fern der Heimat, verloren im Datenmeer surft der Internationale Berliner auf der Suche nach neuen Plätzen, die er mit seinen Daten besiedeln kann. Doch ganz so schlimm wird es nicht kommen. Auch wenn Tilman Baumgärtel von der TAZ gerne Panik machen will. "Retten Sie Ihre Homepage, so lange sie noch da ist", warnte er kürzlich und malte den Teufel an die Wand: "Meine Email-Adresse wird genauso ungültig sein, wie die von 300 anderen Netizens, die bei der I.S. einen Account haben." Solche Dunkel-Propheten, die vom Hörensagen leben, kann die Internationale Stadt derzeit nicht brauchen. Denn Panik ist nicht angebracht. In den letzten Wochen der I.S. bemüht man sich um einen reibungslosen Übergang, bei dem die Adressen nicht angetastet werden und die Homepages eine neue Unterkunft finden.[siehe Interview] Tatsächlich gibt es weder Panik noch Protest. Eher trauert man still um ein Projekt, von dem man drinnen und draußen wußte, daß seine besten Tage längst vorüber sind. Schon Ende 1996 sprachen die Gründer der I.S. von einem ersten "virtuellen Tod". Und das, weil sich die eigenen Utopien zum Teil erfüllt hatten und weil sie zum Teil ganz unerfüllbar schienen. Erfüllt hat sich der einst so radikal klingende Anspruch: Allen sollte es möglich sein, sich von zu Hause aus ins Netz einzuloggen, um Informationen abzurufen und selbst einzuspeisen. Verkehrte Welt, vier Jahre später: Da ist es allen geradezu unmöglich geworden, sich des Werbedrucks eines Haufens von Anbietern zu erwehren, die immer neue zahlende Kunden ins Internet schleusen wollen. Auch die Verwirklichung der Idee, öffentliche Räume in Berlin zu vernetzen, hat man der I.S. längst abgenommen. 1994 startete man das legendäre Clubnetz, für das sechs Discotheken mit Terminals zum Chatten ausgestattet wurden. Und wer wollte, konnte sich vom eigenen Schreibtisch aus dazuschalten. Das hat Philip Morris in den Berliner Cafés längst nachgeahmt. Und folgerichtig hat sich - wie überall im Netz - auch hier nicht der Flair der Internationalen Stadt, sondern der kommerzielle Flavour von Marlboro Country durchgesetzt. Hat sich der technische Teil der Utopie auf diese etwas zweifelhafte Weise erfüllt, so scheint der politische Traum doch unerfüllbar. Schon zwei Jahre nach der Gründung verabschiedete sich die I.S. von der Idee, "alle möglichen Stadtinformationen sammeln oder linken zu wollen". Und zugleich verabschiedete man sich von den großen Hoffnungen auf die Neuerschaffung kommunaler Strukturen. "Wo sind die Projekte, die nicht um den Partizipationswillen ihrer Nutzer ringen müssen?" fragte man damals und konstatierte: "Auf der einen Seite die vielen Surfer und 'lurker', auf der anderen die enthusiastischen MacherInnen. Dazwischen existiert ein Vakuum." Bis heute hat diesen luftleeren Raum niemand gefüllt. Auch wenn die I.S. 1997 noch einmal eine Fortführung des alten Projekts mit anderen Mitteln und neuem Design versuchte - Macher und User haben nicht mehr wirklich zueinander gefunden. Auf Seiten der User sammelten sich Einzelprojekte und Homepages an, ohne eine Bindekraft fürs Ganze zu entwickeln. Und auf der anderen Seite planten die Macher zunehmend eigene Projekte, die jenseits der Stadtmauern angesiedelt sind. Mit der Verwaltung des Eingeschliffenen und Eingeschlafenen wollen sich die Betreiber aber nicht mehr länger zufriedengeben. Wer Avantgarde sein will, sitzt nun mal nicht von neun bis fünf am Terminal und verwaltet den Status Quo. Deshalb wird der erst einmal eingefroren. Und so verwandelt sich die Internationale Stadt mit einem Klick von einem digitalen Soziotop in ein Online-Museum. Die I.S. ist ab März nur noch für die rückwärtsgewandte Utopie zuständig, die man bekanntlich Verklärung nennt. Da wird man dann im Nachhinein all das, was heute niemanden mehr begeistern kann, zum Schönsten und Besten zählen, was man von der Netzkultur erwarten konnte. Und wahrscheinlich wird man der Internationalen Stadt Berlin mit dieser Verklärung nur allzu gerecht.
"Die Stadt steht still".
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