Internationale Stadt Berlin löst sich auf

Kurt Sagatz     Tagesspiegel, 18. Januar 1998

      Initiatoren des engagierten Internet-Kulturprojektes wollen sich neuen Aufgaben zuwenden

      Rund dreieinhalb Jahre nach der Gründung haben die Initiatoren des ambitionierten Internet-Kulturprojektes "Internationale Stadt Berlin" (ISB) Ende Dezember letzten Jahres die Auflösung beschlossen. Sowohl die GmbH als auch der dahinterstehende Verein kehren dahin zurück, wo sie einst herkamen: in den virtuellen Raum der noch jungen Geschichte des Online-Mediums Internet. Der genaue Termin der Einstellung steht zwar noch nicht fest, sicher ist jedoch, daß die Internationale Stadt Berlin das erste Quartal dieses Jahr kaum überleben dürfte. Die unter der Internet-Adresse berlin.icf.de gespeicherten rund 30 Projekte, die zum Teil international für Aufsehen sorgten, sollen bis zur endgültigen Einstellung der Arbeit auf Servern anderer Provider untergebracht werden. Es gehe jetzt nur noch darum, "die Projekte sauber zu beenden und alles ordentlich unterzubringen", so Max Bareis, Geschäftsführer der ISB-GmbH und eines von zehn Mitglieder des Vereins. Zu den Projekten gehören neben einer Reihe von künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Internet auch Web-Sites, die sich mit kommunalen Themen oder mit der der Medienlandschaft beschäftigen (siehe darunterstehenden Bericht). Die Berliner Kulturbox sowie The Thing/Berlin sollen bereits Interesse angemeldet haben, diese Projekte auf ihren Servern zu übernehmen.

      Im Gegensatz zu anderen Internet-Projekten, die ­ wie beispielsweise die Berliner Web-Site "Wildpark" ­ im Laufe der Zeit finanziellen Notwendigkeiten zum Opfer fielen, führte bei der Internationalen Stadt Berlin keineswegs mangelnder Erfolg zum Exitus. Zwar erlaubten die Einnahmen aus dem Dienstleistungsgeschäft der Gesellschaft alles andere als Spitzengehälter, verrät Vereinsmitglied Valerie Djordjevic. Doch der Betrieb der virtuellen Stadt sei nicht durch fehlende Mittel gefährdet gewesen, so Bareis. Ursache der Einstellung sei vielmehr, daß sich die Ziele des Vereins erfüllt hätten. "Vor drei Jahren war ein Internet-Zugang und E-Mail für Jedermann noch eine Utopie. Heute stehen zahlreiche Provider zur Verfügung, die auch Platz für eigene Homepages anbieten", sagt Vereinsmitglied Armin Haase.

      Neben der Wegfall originärer Ziele wurden für die Betreiber der Internationalen Stadt vor allem die Suche nach neuen Aufgaben immer wichtiger. Der Großteil der Vereinsmitglieder ist künstlerisch orientiert, der kleinere Teil setzt sich aus Computerfreaks zusammen. Ein Teil der Gruppe, darunter Geschäftsführer Bareis, will in Zukunft mit der kommerziellen Nutzung des Internets Geld verdienen. Eine andere Gruppe um Karl Heinz Jeron, die sich bereits im Rahmen der documenta X mit dem Internet auseinandergesetzt haben, wollen sich weiter in Richtung neue Medien orientieren. Eine weitere Gruppe um Armin Haase plant Dokumentationen über die Hackerszene und wieder andere wie Joachim Blank wollen sich kritisch-distanziert mit Internet und Online auseinandersetzen.

      Während einige Ziele der Internationalen Stadt inzwischen vom Markt aufgegriffen wurden, mußten die Vereinsmitglieder in anderen Bereichen erkennen, daß ihre Visionen nicht der Realität standhielten. Einer der Leitgedanken des Projektes war die Umsetzung der Stadtmetapher im virtuellen Raum. Das Internet als Begegnungszentrum, als Ort des Gedankenaustauschs und als Zentrum gemeinsamen kreativen Schaffens. Hier wollten die Berliner zusammen mit anderen Internationalen Städten wie Amsterdam, Bremen oder Madrid Foren schaffen, auf denen eine neue Form des sozialen Zusammenlebens möglich sein sollte. Ensprechende Werkzeuge, die dieses Vorhaben unterstützen und erleichtern sollten, wurde eigens für diesen Zweck programmiert. Doch die Netznutzer machten von den Angeboten nur spärlich Gebrauch. "Die Stadtmetapher ist eine Metapher geblieben", resümmiert jetzt Joachim Blank von der ISB. "Auch Tools machen aus einer Couch Potato keinen aktiven User", faßt Haase die Erfahrungen zusammen.

      Wann genau die Internationale Stadt aufgelöst wird, soll eine Vereinssitzung am 19. Januar ergeben. Fest steht hingegen schon jetzt, daß das Projekt nicht mit einem Rauschen in den Weiten des Netzes beendet wird. Vielmehr ist zum Abschluß eine große Fete vorgesehen, auf der dann auch die "Devotionalien" des Vereins versteigert werden sollen.


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