Freiheit für Fatma, Mehmet, Abidin, Erkanund Bahrettin!

Anderthalb Jahre nach dem Tod des Funktionärs der rechtsradikalen "Deutschen Liga" (DL), Gerhard Kaindl, der bei einer Auseinandersetzung in einem Restaurant in Berlin Neuköln ums Leben kam, fahndet der Berliner Staatsschutz mit Hochdruck nach angeblichen Tatbeteiligten. Seit Mitte November '93 finden Verhaftungen und Hausdurchsuchungen statt (siehe Chronologie). Fatma, Mehmet, Abidin, Erkan und Bahrettin sitzen in Untersuchungshaft. Ihnen wird Mord, Mordversuch und Körperverletzung vorgeworfen. Die Ermittlungsbehörden berufen sich dabei auf die Aussage eines angeblich Tatbeteiligten. Eine massive Präsenz von uniformierten und zivilen Polizisten im Stadtteil, dutzende von Zeugenvorladungen und Schnüffeleien begleiten die Ereignisse. In dem Ermittlungsverfahren gegen die türkischen und kurdischen Antifaschistinnen zeigen Justiz und Polizei offen ihr rassistisches Gesicht. Der Feind steht links, die Opfer der rassistischen Gewalt sollen zu Tätern gemacht werden. Die Fakten sind mager: außer einigen Vermummten und den Aussagen eines angeblichen Tatbeteiligten, der nach 3-stündigem Verhör freigelassen wurde, hat die Staatsanwaltschaft bisher nichts präsentiert. Trotzdem wird Kreuzberg, wo die Täter vermutet werden, zum Sondereinsatzgebiet der politischen Polizei. Justiz-Rassismus Mit gezogener Waffe machen sie Hausdurchsuchungen bei engagierten Menschen, fast immer TürkInnen und KurdInnen, befragen und kontrollieren den ganzen Kiez. Besonders das Umfeld der Gruppe "Antifa Genclik" ist vom Fahndungsterror betroffen. Diese offene Gruppe, die Jahre lang antifaschistische Politik machte, ist bisher vor allem durch entschlossene, gut besuchte Demonstrationen aufgefallen. Dem Verfassungsschutz (VS) ist sie ein Dorn im Auge, weil dort türkische, kurdische und deutsche AntifaschistInnen zusammen organisiert waren (VS-Bericht 1992). Die Kriminalisierungswelle ist vor allem ein Angriff auf die Organisationsfreiheit von ausländischen Menschen. Immer dreister verfolgen Staatsschutz und Justiz die politischen Aktivitäten linker AusländerInnen. So wurde außer den Ermittlungen gegen Antifaschisinnen allein im November '93 z.B.: -Die kurdische Arbeiterpartei PKK und 35 angebliche Unterorganisationen verboten, verbunden mit Hausdurchsuchungen, Festnahmen und Verhören. -Der Türke Garip zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt, weil er mit anderen zusammen ein Flugblatt der TKP-ML in Berlin Kreuzberg verteilt hatte. Staatsanwaltschaft und Faschisten-Hand in Hand Der Justizapparat handelt nicht nur rassistisch, er arbeitet auch den Faschisten in die Hände. Bereits 1/2 Jahr nach dem Tod des DL-Funktionärs Kaindl berichtete die Zeitung der rechtsradikalen DL, 'Deutsche Rundschau', daß die Polizei die Täter ermittelt habe. Der Artikel endete mit einer offenen Drohung: 'wir kriegen euch alle!'. Dem ehemaligen DL-Mitglied Thorsten Thaler wurde bei einem Verhör durch den Berliner Staatsschutz Namen und persönliche Daten der Beschuldigten übermittelt. Rechte Gesinnung zeigte die Justiz auch im Verlauf der Ermittlungen gegen die Mörder von Silvio Meier, der in Berlin-Friedrichshain von Neonazis erstochen wurde. Von Anfang an schlossen Polizei und Justiz jeden politischen Hintergrund aus, obwohl die Täter kontakt zu führenden Berliner Neonazikadern hatten. Im Fall der verhafteten türkischen und kurdischen AntifaschistInnen dagegen erfindet der Staatsschutz eine "militante Ausländergruppe der linken Terrorszene" und ermittelt gleich gegen einen ganzen Stadtteil. "You'll never walk alone" Durch die Ermittlungen soll auch die Antifa insgesamt kriminalisiert werden. Der Mordvorwurf dient dem Staatsschutz als Vorwand, überall herumzuschnüffeln, Telefone anzuzapfen, Leute zu verhören. Sie versuchen, Mißtrauen zu sähen und die 'guten' von den 'bösen' AntifaschistInnen zu spalten. Die Taktik hat Tradition: So wurde z.B. die Bewegung gegen den Bau der Startbahn West in Frankfurt/Main mit Hilfe der Ermittlungen wg. Polizistenmordes fast vollständig zerschlagen. Der beste Schutz dagegen ist: nicht zu tratschen, keine Aussagen bei Polizei und Justiz zu machen und im Zweifelsfall immer eine Anwältin oder einen Anwalt zu informieren, beispielsweise über den Ermittlungsausschuß (692 22 22). Gegen die Kriminalisierung hilft nicht der Rückzug ins Privatleben, sondern die Zusammenarbeit der AntifaschistInnen aller Länder. DieVerhafteten und Gesuchten brauchen unsere Solidarität. Briefe in den Knast, Beteiligung an Demonstrationen und Kundgebungen für ihre Freilassung, Information der Öffentlichkeit behindern den Justizterror und zeigen den Inhaftierten, daß sie nicht alleine stehen. Seit November '93 gab es eine vielzahl von Solidaritätsaktionen. Eine Knastkundgebung mit über 500 Beteiligten, Demonstrationen, Solidaritätsfeste, Geldspenden und die Gründung eines UnterstützerInnenkreises (Do, 15 - 1800h) im Kreuzbüro, Großbeerenstr. 89, 10963 Berlin) sind erst der Anfang!