Neal Stephenson
SNOW CRASH:
(Snow Crash, 1992)

Im neuen Jahrtausend wird die Pizza von der Mafia geliefert, garantiert innerhalb von 30 Minuten, sonst können Sie den Mann vom Lieferservice erschießen und sein hochgerüstetes Auto behalten. Und Onkel Enzo schaut höchstpersönlich vorbei, um sich bei Ihnen zu entschuldigen. Denn eine Pizzalieferung innerhalb von 30 Minuten ist wichtig in einem Land, in dem sonst nicht mehr viel funktioniert.

Und was gibt es noch? Skateboards, die Straßenunebenheiten ausgleichen, chirurgisch veränderte Rottweiler, die angetrieben von radioaktiven Isotopenkammern mehr als 700 Stundenkilometer erreichen, meist aber in ihren tiefgekühlten Hütten von Steaks träumen, die auf Bäumen wachsen. Ein tragbares Miniatur-Gatlingsgeschütz namens "Reason", das abgereicherte Uranmunition verschießt und es auf diese Weise besonders ratsam macht, auf die Stimme der Vernunft zu hören. Und FBI-Bullen, wie sie analfixierter noch in keinem anderen Buch aufgetaucht sind; die Regelungen und Verordnungen zum sparsamen innerbehördlichen Verbrauch von Toilettenpapier machen sehr deutlich, was die Zukunft des Bürokratenwahns für uns so bereithalten könnte, und nein, der Höhepunkt ist vermutlich noch lange nicht erreicht. Das gilt wohl auch für Computerviren, die die Grenze zwischen Mensch und Maschine ganz locker überspringen und beide Systeme zum Absturz bringen. - Leider gibt es jede Menge Übersetzungsfehler. Und nur wenige mögliche Entschuldingungen dafür; Joachim Körber ist ein altbekannter Profi, mutet sich aber möglicherweise ein paar Bücher zuviel zu. Gesunder Ehrgeiz ist das nicht, und ein Bärendienst für den Leser. Weil es nämlich ein paar Jahre dauern kann, bis es auf dem deutschen Markt eine neue Übersetzung gibt.

Snow Crash ist ein Cyberpunk-Roman im besten Sinne; bei aller Liebe für technische Spielereien geraten die Figuren nicht ins Hintertreffen. Und Neal Stephenson gelingt mit Leichtigkeit und Verständlichkeit, was William Gibson nur andeutete: Die Verbindung zwischen HiTech und Mystik, die Darstellung des Hackens in deinem Kopf, Leser. Virulente Information - Information als Virus, Information als Droge, Droge als Virus. Das ganze basiert bei Stephensen auf sumerischer Technologie und zeigt somit, daß die Unterschiede zwischen Tontafeln und Computern nicht so riesig sind (Zweifler wenden sich nach Paderborn ans Computermuseum oder schreiben einen Leserbrief). Ein Buch als Virus - in diesem Falle macht das Infizieren Spaß.

Goldmann 23686, 534 Seiten, DM 14.90 Erik Zimmermann