Jörg Raddatz
Das Schwarze Auge:
DIE LEGENDE VON ASSERBAD

(Originalausgabe, 1996)

Überraschung! Der Roman ist nicht so schlecht, wie man anhand seines Erscheinen in einer Rollenspielreihe annehmen könnte. Raddatz bietet zwar wirklich nichts weltbewegendes, hat jedoch ein manierliches Fantasy-Geschichtchen zusammengeschrieben, daß recht unterhaltend ist.

Hauptperson ist der stark an Don Quichote erinnernde Prinz Arkos, eine ziemliche Dumpfbacke, die mit seinen 25 Lenzen noch naiven Kinderträumereien von Ritterlichkeit nachhängt und der in einem Traum von einer mysteriösen Frau im Schleier in ein verhängnisvolles Abenteuer geschickt wird. So wagt er sich auf die Suche nach den wiederauferstandenen Dämonenbeschwörer Assarbad, der sehr, sehr böse sein soll - aber irgendetwas ist faul an der ganzen Geschichte. Weil dieser Plot für das Buch nicht allzuviel hergibt, schildert der Autor noch nebenbei das Schicksal eines unglückseligen Magiers, welches eigentlich weit interessanter und dramatischer ist. Doch der Autor hat hier einiges verschenkt, weil er kein Ganzes sondern zwei Halbe fabriziert. So dümpelt die Story vor sich hin, zwischen den beiden Fäden hin- und herspringend, welche zum Finale ganz lose verknüpft werden. Das ist nicht ganz so geglückt: der Autor mußte anscheinend zum Schluß kommen (oder hatte keinen Bock mehr) und die Geschichte um den schnarchnasigen Prinzen nimmt so ein etwas jähes Ende.

Trotzdem hat das Lesen des Buches Spaß gemacht. Der Autor hat es geschafft, daß ich seine Protagonisten - zumindestens den trotteligen Prinzen und seine Verlobte Eleonora - irgendwie liebgewonnen habe. Wo andere Autoren Strichmännchencharakterisierungen von ihren Hauptpersonen abspulen, bemühte sich Raddatz redlich und teilweise recht erfolgreich, seinen Prinzen mitsamt Familie Tiefe zu geben. Das hat bei den anderen Plot um den machtzerfressenen Magier leider nicht so gut geklappt. Ähnlich unbeständig ist der Autor in seinem Schreibstil, der an den besten Stellen des Romans durch seine Angestaubtheit eine glaubhafte mittelalterliche Atmosphäre herzustellen vermag. Aber halt nicht den ganzen Roman hindurch, zu oft scheint die Pseudo-Authenzität durch. Nachteilig wirkt sich auch das Setting in der Rollenspielwelt des Schwarzen Auges aus: ich bin mir sicher, daß nur Spieler, speziell Spielleiter, dieses Rollenspiels voll und ganz durch den Background mit den fremdartigen Namen von Gottheiten, Landschaften und wichtigen Personen und den verschiedenen "historischen" Ereignissen durchsteigen, welche der Handlung, speziell der um den Magier, Dramatik und große Bedeutung für die Spielewelt geben. Das kleine Glossar im Hinterteil des Buches reicht da leider nicht aus. So bleibt mir nach dem zwiespältigen Eindruck, welches das Buch bei mir hinterlassen hat, die Empfehlung für alle Mutigen, daß Buch mal auszuprobieren. Es ist weit besser, als mancher Ami-Schund.

Heyne Fantasy 06/6010, 288 Seiten, DM 12.90 alekz