Terry Pratchett
INTERESTING TIMES
(englisch, Corgi Books, 1995)

Halt, halt, lieber Pratchett-Fan, jetzt nicht sofort zum Buchladen rennen und den Buchhändler einen krummen Hund schimpfen, weil er von diesem Buch noch nichts gehört hat. Kann er gar nicht, weil es in Deutschland noch nicht erschienen ist. Die ALIEN CONTACT-Redaktion hat jedoch weder Kosten noch Mühen gescheut, um an die bisher neuesten vorliegenden Werke des Autors heranzukommen .

Rincewind, der gute alte Rincewind, der in den ersten Scheibenwelt-Büchern zusammen mit seiner magischen Truhe von einem Abenteuer in das andere rutschte, kommt mal wieder zu Ehren und wird von einem Konsortium der Unsichtbaren Universität mittels "Beamstrahl" zum weitentfernten Gegengewichtskontinent geschickt, um dort die Geschichte ein wenig durcheinander zu bringen. Das Problem bei der ganzen Sache ist jedoch, daß Rincewind überhaupt nicht weiß, was der dort soll.

Und jetzt wird's politisch. Dieser Gegengewichtskontinent weist unübersehbare Parallelen zu China auf. Und das ist der Haken. Solange Pratchett seiner Phantasie freien Lauf läßt und sich auf die kleinen menschlichen Schwächen des Alltags beschränkt, ist er einfach wunderbar. Wenn er jedoch versucht, politische Ereignisse der Gegenwart zu verarbeiten, wird es schwierig. Seitenweise fehlt es am gewohnten Humor, ganz einfach, weil an der Situation der einfachen Menschen in China nichts Spaßiges ist. Es wird langweilig, und man geht sogar dazu über, diagonal zu lesen, was mir bei Pratchett zuvor noch nie passiert ist.

Ungefähr zur Hälfte des Buches kriegt Pratchett jedoch gerade noch so die Kurve. Es tritt nämlich der Uralt-Barbar Cohen auf den Plan (wußte übrigens jemand, daß Cohen den Vornamen Dschingis hat?). Aber er ist nicht allein, bei ihm ist eine ganze Horde kampfeslustiger Kempen, für die es nichts Schöneres als Rauben, Morden, Plündern und Vergewaltigen gibt. Nur - keiner von ihnen ist jünger als siebzig.... Und - um in der Hauptstadt des Counterweight Continent nicht aufzufallen, müssen sie lernen, sich wie normale Bürger zu benehmen. Und da fangen die Probleme an, denn was Hänschen nicht gelernt hat...

Das Ganze gipfelt in einer riesigen Schlacht, bei der fünf alte Männer einer ganzen Armee gut ausgebildeter Soldaten gegenüberstehen, wobei Rincewind die Sache in letzter Minute rettet, allerdings ohne sich dessen bewußt zu sein. Aber das kennen wir ja schon von ihm. Man kann nur sagen, daß Pratchett höllisch aufpassen muß, um nicht dem Problem vieler Vielschreiber zu erliegen, daß er nämlich langweilig wird. Lieber etwas weniger und dafür besser, Mr. Pratchett!

352 Seiten, £ 4.99 Hans-Peter Neumann