Frederik Pohl
DIE UNSTERBLICHEN UND DIE TOTEN
(Outnumbering The Dead, 1990)

Dieser Roman ist das Spätwerk von Pohl, der bereits seit über fünfzig Jahren aktiv als Autor tätig ist. Gegenüber seinen Romanen aus den siebziger und achtziger Jahren ist dies ein sehr stiller Text. Erzählt wird von den letzten Wochen des Lebens des Tänzers und Sängers Rafiel. Er ist einer der wenigen Sterblichen in einer Welt von genetisch veränderten Unsterblichen. Er muß sich mit seinem ganz persönlichen Leben auseinandersetzen. Mit beinahe neunzig Jahren sieht er zwar wesentlich jünger aus, jedoch wird er während der Dreharbeiten zu den neuesten Musical "Ödipus" seiner eigenen Gebrechlichkeit gewahr. Nur mit Mühe kann er die Arbeiten daran abschließen. Seine alte Jugendliebe kehrt zu ihm zurück, um ihn während seiner letzten Tage zu pflegen, und beide zeugen ein Kind, damit er in ihm weiterlebt.

Hätte ein weitaus jüngerer Autor dieses Buch geschrieben, so könnte man auf eine Allegorie zu einer tödlichen Krankheit schließen, die zunächst vom Kranken ignoriert wird, ihn dann jedoch einholt. Aber in Anbetracht der Tatsache, daß Pohl inzwischen 71 Jahre alt war, als er dieses Buch schrieb, handelt es sich wohl eher um eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod, während die Welt um ihn her scheinbar frisch und jugendlich bleibt. Darüber hinaus gibt der Roman aber auch Einblicke in Pohls Weltsicht. Die Dialoge seiner Protagonisten sind durchsetzt mit Worten verschiedener Sprachen. Die Unsterblichen haben so viel Zeit, daß sie die unterschiedlichsten Sprachen lernen. Die Welt ist vereint, so daß sich auch die Sprachen vermischen. Man findet überall Worte in italienisch, japanisch, englisch, französisch, spanisch, russisch und vielen anderen Sprachen.

Die Kultur hingegen ist ziemlich heruntergekommen. Das Drama "Ödipus" wird zu einem Musical in einer modernisierten, beinahe unflätigen Umgangssprache. Computertechnologie verfremdet die eigentliche schauspielerische Leistung. Offensichtlich ist Pohls Meinung von der heutigen (und zukünftigen) Kulturlandschaft nicht allzu hoch.

Schade ist nur, daß die Übersetzung von Irene Bonhorst sehr zu wünschen übrig läßt. Die Sprache ist an einigen Stellen holprig und einige Fakten wurden leider verdreht. Dennoch handelt es sich um ein lesenswertes Buch, zumal von angenehmer Kürze. Pohl ist ein Autor, der es auch auf Grund seiner literarischen Erfahrungen nicht nötig hat, endlose Ausschmückungen zu benutzen, sondern er beschränkt sich auf das Wesentliche.

Heyne 06/5146, 156 Seiten, DM 9.90 Hardy Kettlitz