Jens Lossau und Jens Schumacher [Hrsg.]
KANON DER MELANCHOLIE
(Originalausgabe, 1996)

"Horrorstories von deutschen Autoren? Das kann ja nichts werden", denkt sich der Leser vielleicht. Aber weit gefehlt! Die Quote der wirklich guten Texte in diesem Band ist höher, als in so mancher Best-Of-Anthologie.

Einige Geschichten orientieren sich an den Stilen anderer Autoren. Viele Rezensenten verurteilen diese Herangehensweise, bezeichnen sie vielleicht gar als Plagiat. Ich finde sie solange legitim, wie der neue Text nicht schlechter als das Original ist. Gemeint ist hier lediglich der Stil, die Ideen sind fast durchgehend frisch und neu. Mich erinnert Regiefehler an Dick, Ich lebe auf dem Speicher an Bradbury, Eine kurze Geschichte vom Töten an de Camp und Soiree an Kim Newman. Doch man sollte sich vom eher sanften Titel des Buches nicht täuschen lassen, vom grausamen Märchen bis hin zur blutigen Splatterstory ist alles enthalten, nur eben nichts Melancholisches. Wer sich von den ruhigeren Geschichten ein Bild machen will, sollte noch einmal AC 23 hervorkramen und Hinterlassenschaften lesen. Höhepunkt des Buches ist die Geschichte Dennis der Schädelschmied, worin der Protagonist vom Durchschnittstyp zur blutrünstigen Bestie mutiert; fabelhaft geschrieben, so daß die Geschichte den Besten des Genres alle Ehre gemacht hätte. Wer Horror mag, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen.

Rainar NITZSCHE Verlag, 123 Seiten, DM 18.00 Hardy Kettlitz