Harlan Ellison
MEPHISTO IN ONYX
(Mefisto in Onyx, 1993)

Nach über 20 Jahren erscheint mal wieder ein Buch von Ellison in Deutschland, und dann auch gleich ein preisgekröntes. Mephisto in Onyx hat sicherlich zurecht den Bram Stoker Award erhalten, dennoch ist das Label "Roman" schlichtweg eine Übertreibung, denn wenn man das Vorwort des Titelbildzeichners und das unsäglich jubelnde Nachwort, das auf 20 Seiten ununterbrochen Loblieder auf den Autoren singt, abzieht, bleiben gerade noch 89 Seiten in Großdruck für Sehschwache übrig. Aber die haben es in sich. Ellison schreibt wie in seinen besten früheren Erzählungen: laut, beleidigend, hysterisch. Und das Thema ist äußerst modern, es geht nämlich um Massenmörder. Protagonist ist ein Telepath, der von seiner Freundin, einer Staatsanwältin, gebeten wird, die Gedanken eines Mörders zu lesen, den sie an den elektrischen Stuhl geliefert hat. Was dann folgt ist haarsträubend spannend und obendrein stilistisch exzellent. Besonders der Schluß hat es in sich, denn die Geschichte dreht sich, in bester Short Story-Tradition, nicht nur einmal.

Der Nachwortautor schreibt, daß Ellison vom SF-Genre vereinnamt wurde und sich nicht mehr davon lösen kann, obwohl er zu den bedeutendsten Literaten der Gegenwart zählt. Dennoch scheint Ellison sich in "phantastischer" Gesellschaft ganz wohl zu fühlen, denn er hat seine Erzählung zwei typischen Genreautoren gewidmet, nämlich Dean Koontz und Robert Bloch.

Es ist mehr als bedauerlich, daß Ellison in Deutschland so gut wie unbekannt ist, wo er doch in Amerika eine ganze Reihe von erstklassigen Büchern herausgebracht hat.

Goldmann 8135, 128 Seiten, DM 9.90 Hardy Kettlitz