Klaus Burgmeister und Karlheinz Steinmüller
STREIFZÜGE INS ÜBERMORGEN:
ZukunftsStudien, Band 6

"Die Futorologie ist zwar aus der Mode gekommen, doch ein wenig gedämpfter macht sie weiter." Mit diesem Lem-Zitat aus dessen neuestem Essay-Werk leitet Karlheinz Steinmüller seinen, als liebevolle Themendraufsicht zu verstehenden Beitrag zum vorliegenden Band ein, um gleich darauf auf die Wurzeln der garantiert nicht trendgemäßen, essayistischen Sammlung zu stoßen. Dabei vermeidet er es bewußt, der Science Fiction den für eine literarische Gattung viel zu engen Mantel der Zukunftsbelletristik, die allenfalls mögliche technische Entwicklungen vorherzusagen mag, überzuziehen.

Für Steinmüller liegt der Entwicklungsbeginn der Zukunftsforschung zum Beispiel in den utopisch-spekulativen Visionen eines William Winewood Read, in dessen Werk The Martyrdom of Mankind die Wissenschaft dem Menschen das Reisen zu anderen Fixsternen und Unsterblichkeit ermöglichen wird. Michael Salewski greift in seinem Beitrag noch tiefer in die Wunderkiste der Science Fiction. Vielleicht etwas zu häufig werden Titel und Autoren genannt, die durch ihre Bezugnahme (die mitunter sehr subjektiv ausfällt) den Leser eher verwirren, da sie in fast jedem Falle die Kenntnis der Werke voraussetzt. Obwohl das Thema Zukunfftsforschung meines Erachtens etwas zu kurz kommt, ein für den belesenen SF-Fan kurzweilig zu lesender Beitrag. Brian Stableford ist Verfasser eines sehr informativen Artikels über Zukunftsstudien und Science Fiction in Großbritannien, obwohl sein Stil mitunter ein wenig prätentiös daherkommt. Die nostalgischen Zukunftsvisionen eines Albert Robidas (einem ungeheuer produktiven Zeichner, Autor und Futurologen des Gaslaternen-Zeitalters) behandelt Franz Rottensteiner in seinem von Robidas Zeichnungen bebilderten Essay. Angela Steinmüller schreibt in ihrer stimmungsvoll, melancholischen Art über die Vision zwischen Paradies und Weltuntergang im Atomzeitalter der Futorologie und Science Fiction- Literatur.

Die weiteren Beiträge des Bandes (u.a. von Erik Simon, Olaf R. Spittel, Petert Schattschneider, Carl Amery und Florian F. Marzin) behandeln die kosmische evolutionäre Entwicklung des Menschen nach Ziolkowski und Dyson, die phantastischen Universen eines Brian W. Aldiss, Alternativwelten, Utopie und Realität made in G.D.R. und einiges mehr. In einem scheinen sich fast alle Beiträge einig zu sein: derzeitig besteht ein Mangel an visionären Utopien, die einen praktikablen Weg des Menschen in die Zukunft beschreiben. Vielmehr herrschen Warnbilder über die gnadenlose Fortschrittsverwirklichung vor, die sich eher den dystopischen Bildern der SF nähern, als machbare Weltentwürfe zu gestalten.

Beltz-Verlag, PF 100 154, 69469 Weinheim
ca. 320 Seiten, DM 42.00
Gerd Frey