John Brunner
AM FALSCHEN ENDE DER ZEIT
(The Wrong End of Time, 1971)

Der vorliegende Band aus der Subreihe Top Hits der Science Fiction ist ein Reprint der vor sechzehn Jahren im Knaur Verlag erschienenen deutschen Erstausgabe. Der Roman entstand 1971, also zwischen Brunners herausragenden Romanen Morgenwelt (1968) und Schafe blicken auf (1972), und bietet die dystopische Darstellung einer USA der Zukunft sowie einen ungewöhnlichen Plot, dessen Umsetzung hohe Ansprüche an den Autor hätte stellen können.

Die USA werden von einem repressiven Regime beherrscht, das das Land von der übrigen Welt abschottete, indem es an den Küsten und Grenzen automatische Waffensysteme installierte. In diese Festung dringt der sowjetische Agent Scheklow ein, um bei dem Maulwurf Turpin um Hilfe für ein Problem nachzusuchen, das sich der übrigen Welt stellt. Ein außerirdisches Raumschiff sendet unverständliche Botschaften, die immerhin die baldige Vernichtung der Menschheit erahnen lassen. Danty Ward löst dieses Kommunikationsproblem, denn sein Zeitempfinden ist wie das der Raumschiffbesatzung rückwärts gerichtet - beide befinden sich "am falschen Ende der Zeit". Die Darstellung der autoritären USA anhand diverser Protagonisten, die bestrebt sind, einen Platz in dieser Gesellschaft zu finden, ohne beim Regime Aufmerksamkeit zu erregen, ist plastisch und überzeugend. Im Handlungsablauf, in Zusammenspiel zwischen Handlungslinien und Protagonisten, greift ein Rädchen minutiös in das andere. Der Handlungsrahmen wirkt dennoch seltsam anachronistisch: Die USA zeigen in der Realwelt keine Anzeichen einer Isolationspolitik, und die Sowjetunion existiert nicht mehr. Brunners Idee der umgekehrten Zeitlinie ist faszinierend, aber nicht durchweg konsequent umgesetzt. Während die Besatzung des unbekannten Raumschiffes in einer rückwärts gerichteten Zeitlinie lebt, sich also in die Vergangenheit entfernt, verläuft Wards Leben konventionell in die Zukunft. Lediglich seine Erinnerungen stellen sich in umgekehrter Reihenfolge ein. Freilich, wenn Brunner die selbe Konsequenz wie Philip K. Dick in seinem Roman Die Zeit: Auf Gegenkurs bewiesen hätte - in dem die tagtäglichen Ereignisse tatsächlich rückwärts ablaufen -, sein Roman würde nicht funktionieren. Am falschen Ende der Zeit vermag zwar den Spitzenwerken Brunners nicht nahezukommen, verdient sich aber ein Prädikat als interessanter und lesbarer SF-Roman.

Heyne 06/5333, 206 Seiten, DM 12.90 Armin Möhle