Eric Brown
PITHECANTHROPUS BLUES UND ANDERE ERZÄHLUNGEN
(The Time-Lapsed Man and Other Stories, 1990)

Der Heyne-Verlag hat mit diesem Band eine Sammlung von acht Kurzgeschichten des hierzulande unbekannten englischen Autors vorgelegt. Sie sind der Hard SF zuzurechnen und - bis auf zwei - von recht erfreulicher Qualität.

Sechs dieser Stories (auch die beiden stilistisch wie inhaltlich mißglückten Das Karmakind transzendiert und Große Probleme da oben) sind im Universum des sogenannten nada-Kontinuums angesiedelt - eine dystopische Welt, die der des Blade Runner ähnelt: die hoffnungslos urbanisierte und übervölkerte Erde befindet sich in der Hand einiger skrupelloser Mega-Konzerne; Verbrechen, dekadente Spielchen und die morbide Sucht nach immer neuen Genüssen haben ein riesiges Ausmaß angenommen. Diese konsequente Extrapolation heutiger Zustände in eine nicht allzu ferne Zukunft ist gut dargestellt und für den Leser nachvollziehbar. Die Menschheit hat den Raum kolonisiert - die überlichtschnellen Schiffe werden von telepathisch veranlagten Navigatoren per Computerinterface durch das nada- Kontinuum (daher der Name) gesteuert. Überhaupt spielt die Telepathie als alltägliche Erscheinung - bei geeigneten Menschen genügt ein chirurgischer Eingriff - eine wichtige Rolle im Leben dieser Gesellschaft. Und so ist es naheliegend, daß die Protagonisten dieser sechs Stories allesamt Navigatoren und/oder Telepathen sind.

Die auf dieser Konstellation basierenden Plots sind (bis auf oben genannte Ausnahmen) handwerklich solide umgesetzt und originell - da schadet es auch nicht, wenn man bisweilen die Inspirationsquellen des Autors wiedererkennt.

Diese positive Einschätzung gilt auch für die beiden von der Welt des nada- Kontinuums unabhängigen Geschichten - Karmel und die Sternkristalle ist eine typische Kolonialstory über das Zusammentreffen von menschlicher "Zivilisation" und fremdartigen humanoiden "Eingeborenen"; Die Erben der Erde ist eine spannende Zeitreise-Story mit ironischen Untertönen im bewährten Tagebuchstil - H.G. Wells hat einen Gastauftritt als eifernder Ignorant - und man erfährt interessante Neuigkeiten über das Volk der Neandertaler.

Fazit: Lesenswert, aber nicht sensationell oder gar perfekt - wie der Werbespruch auf dem Rücktitel zu berichten weiß.

Heyne 06/5089, 270 Seiten, DM 12.90 M. Gibtner