Plädoyer für meine "Oma"
von Michael Zimmermann
Mit einem Kontrabaß (KB) unter dem Arm ist man in der
Öffentlichkeit ständig den staunenden Blicken der Leute oder ihren
Kommentaren ausgesetzt. Kinder machen große Augen und rufen: "Och, hat
der Onkel eine große Kitarre!". Erwachsene: "Hätt'ste 'mal lieber
Flöte gelernt". Würden alle Flöte lernen, wäre die Musik
doch recht eintönig", erwidere ich.
Mein vielgeliebter KB spielte in der Folkszene unseres Landes von
Beginn an eine Rolle. Trotz der Größe und Unhandlichkeit dieses
Instrumentes verzichtete stets ein Teil der Kollegen auf Bewuemlichkeit in
Zugabteilen oder später im 311er Wartburg, um auf den Dickhäzter
unter den Streichinstrumenten nicht zu verzichten.
Auch beim Musizieren hat es der Baß recht schwer, den, seinen
spieltechnischen Möglichkeiten entsprechenden Platz einzunehmen.
Bei einigen Gruppen wandert er im Laufe des Programms durch verschiedene
Hände, nach dem Motte: Wer nichts besseres zu tun hat, spielt Baß.
Das frischste Beispiel in dieser Hinsicht bringt die Gruppe
Notentritt.
Mein Unbehagen mildert, daß die Brock-Brüder als hochmusikalische
Multiinstrumentalisten intonationsnahe und recht brisant einiges aus der
"Kiste" herausholen. Nichts desto trotz erfreulich, daß sich die
Schar derer, die sich ernsthaft mit der "Oma" befassen, ständig
wächst (Almut,
Ko,
Dobi und
Jams-Bernd wären zu nennen.
Wäre nicht die Folkwerkstatt dazu angetan, praktische Hinweise zur
Handhabung des KB zu geben?
Woran liegt es, daß die neueren Gruppen der Szene fast
ausschließlich mit "konventionellen" (sprich exotischen) Instrumenten
musizieren? Was mein Anliegen betrifft: Von KB-Musizierfreudigen
keine Spur!
Vielleicht gelingt es mir mit meinen Anmerkungen zu Spielmöglichkeiten
des Baß' einigen den Mund zu wäßrig zu machen bzw.
bestärkend zu wirken, den folkloristisch-enthusiastisch zuckenden
Finger an die richtigen Saiten zu legen.
Von meiner Spielfreude ausgehend, möchte ich einige Varianten des
Baßspiels in loser Reihenfolge nennen:
- Bassocontinuo
- Klangvolumen
- Rhytmische Basis
- Solo- und Oktavmelodiespiel/Nebenstimmen
- Brodun(-quinten)
- Percusiion/Klangeffekte
- usw.
In der Praxis sind die erwähnten Punkte meist miteinander eng
verknüpft und diese Zergliederung erhält nur duch meine evtl.
staunende Leserschaft ihre Berechtigung.
Betrachtet man die Spielweise der Leute, die den KB "nach Hausmarke"
ohne Anleitung bedienen, so sieht man die linke Hand zur Faust geballt dann und
wann am Griffbrett herumzucken und die rechte in ebenso wenig vorteilhafter
Position, Folkstonart: G-Dur und los geht's! Die leeren Saiten flattern!
Geht es (höchst dramatisch) in die Subdominante, so wird eine Kerbe in
den Baßhals gesägt. Also nichts gegen einen soliden Hilfsstrich
oder musikalischen Enthusiasmus! Mir geht es nur darum, dem (zu Unrecht)
behäbigen Dasein meiner "Oma" mehr Würde abzuringen.
Solide halbe Noten im sogenannten Wechselbaß, so kann ich allen etwas
Übereifrigen mildernd versichern, geben durchaus eine brauchbare Basis
für manch flottes Tänzchen oder Liedlein. Bringen noch ein paar
Durchgänge manch Hammer und Amboß zum "Swingen", ist schon ein
hoffnungsvoller Anfang gewagt. Jedoch liegt mir am Herzen, mancherseits
unbekannte Dinge zu erwähnen.
hythmisch unwahrscheinlich brisant und mit einem vom KB nicht
erwarteten Lärm verbunden, ist die schon im klassischen Jazz beliebte
"slap on bass" oder "Klatschbaß"-Technik, die durch das Aufschlagen
deer Saiten auf das Griffbrett hervorgerufen wird.
Ein- oder mehrmaliges Nachschlagen mit der flachen Hand kann schon
komplizierte Rhythmen hervorzaubern.
Mein Freund Wacky Waterstradt (Multiinstrumentalist aber bei den
Polkatoffel und Jams nur Bassist!) bereicherte die Slap-Technik durch
zusätzliches Schlagen der (allerdings nur) leeren Saiten mit der
linken Hand /auf g1-Höhe) und brachte dadurch recht virtuose
Perkussionseffekte zustande.
Fortsetzung folgt+++
Bleiben wir gleich beim mehrstimmigen Musizieren: Aufgrund der enormen Mensur
ist ein drei- oder gar vierstimmiges Spielen in den tiefen Lagen nur in
engen Grenzen vorteilhaft und möglich, aber indem man geschickt
Leersaiten und Flageolette einbezieht, ergeben sich nicht zu
unterschätzende Varianten. Mehrstimmiges oder speziell zweistimmiges
Musizieren gehöhrt seit langem nicht mehr zu den
Außergewöhnlichkeiten des Kontrabaßspiels.
Im Grunde genommen sind die meisten Intervalle bis zur Duodezime in allen
Tonarten produzierbar. Doppelgriffe in den mittleren Lagen eignen sich zu
rhythmischen Nachschlägen und sind ganz reizvoll, wenn gleichzeitig
ein anderes Instrument die Baßfunktion übernimmt.
Zu den besonderen Spezifitäten des Kontrabaßspiels zählt
das schon erwähnte Flageolettspiel. In "luftiger Höh",
im Bereich des Griffbrettendes sind ganze Tonleitern möglich. Man kann sich beeindruckend in mittlere Geigenlagen bewegen.
Jedem, der mit meiner "Oma" liebäugelt, kann ich nur empfehlen:
ran ans Gerät! Es lohnt sich, denn in allen Musikgenres ist der
Kontrabaß ständig im Gespräch.
aus: Leipziger Folksblatt: Nr. 1/1984 (Folk-Klub Leipzig), Ausgabe vom 21.9.84
und: Leipziger Folksblätter 85: (Folk-Klub Leipzig)
Anmerkungen zu einem Plädoyer für meine "Oma"
Vorausschickend gebe ich gerne zu, daß folgendes auch Inhalt eines
Gesprächs nach einem sicher baldigen, gemeinsamen Auftritt hätte
sein können, nur, wo bliebe es, das Salz in der Suppe einschlägiger
Fachillustrierten?
Sollte ich durch diesen so liebevollen Artikel Ratschläge zu weiteren
Verfeinerung meiner Baßvirtuosität erhalten haben, so müssen
sich diese ausschließlich hinter den Worten "Fortsetzung folgt+++"
verborgen haben. Na klar, akustisch eine feine Sache, dieser Klatschbaß
Michas große Fallefür temperamentvolle Nachwuchskünstler wurde
mir nebst Baß vor einem Jahr zum Ursprung einer sehr engen Beziehung.
Nachdem ich das Griffbrett zwimal im Auge und er meine Reserven "Berliner
Kaltleim" unter ersterem verspürte, wurde unser Verhältnis so intim,
daß ich ihm zu Weihnachten sogar eine halbwegs passende Hülle
erborgte.
Was nun noch bleibt, um dem "Mund wäßrig" zu machen, sind
locker-ironische Frozzeleien auf Kosten alter Freunde, die, falls nicht direkt
angesprochen, nie zur Identifikation gelangt wären.
Öffentliche Richtigstellung:
Seit wir uns mit den, im Fertigzustand sicher recht wohlklingenden,
Kompositionen eines
Thomas König
auseinanderzusetzen haben, geht es nicht mehr darum, einen Dummen
für den KB zu finden, sondern kostet es eher größte
Überredungskunst, ein Mitglied der Gruppe nach dem anderen vom Wunsch
zu befreien, gerade dieses Instrument spielen zu dürfen.
Auch die Sache mit dem Subdominantenstrich hat sich erledigt, nachdem wir
zufällig mit Hilfe eines Stimmgerätes feststellten, daß sich
selbiger einen 3/4 Ton zu hoch befand. Nasenhöhe des Striches bedeutet
jetzt richtige Stacheleinstellung. (Typisch folkloristisch - Altes wird in
neuer Funktion genutzt).
Und von wegen G-Dur und Leersaiten. Der Sattel befindet sich in einem so
bedauerlichen Zustand, daß selbst in anderen Duren dem Leersaitenspiel
ein ewiges Ende gesetzt werden mußte. Möglicherweise
betrügen wir uns allerdimgs damit um Klangeffekte, an denen Micha seine
helle Freude hätte. Natürlich will ich ihn, den ich im übrigen
so schä,tze, daß ich annehmen muß, er nimmt das alles gar
nicht ernst, nicht nur attackieren, sondern auch den eigenen Erfahrungsschatz
in die Rentnerbesprechung mit einbringen.
Was also tun wir denn mit einem Baß, der, bei Windstärke 8-9
vom Autodach gehoben wird, nach zweifacher gefälliger
Längsachsendrehung so am Boden gähnend liegen bleibt, daß
ein Instrumentenbauer sich weigern würde, mit den Resten seine abendliche
Laubsägearbeiten zu bestreiten? 11 Holzschrauben, ein entsprechender
Zieher, ein Eimer Kaltleim, ein bißchen rohe Gewalt - ist das nicht die
wahre Liebe?
So, nun geht er mit seiner immer dünner werdenden Baßschule auf's
Klo und wird es sich dabei ein wenig mit "Lavel 42" (Micha - sag selbst,
schon mal so einen EB gehört?) besorgen, der
- hochmusikalische (?) Brockbruder -
Peter
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